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Bundesinstitut für Berufsbildung

Stellungnahme
des Hauptausschusses
des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 15. März 2012
zum Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Programm „Erasmus für alle“ 2014 bis 2020

Am 23. November 2011 hat die Europäische Kommission den Entwurf für das Programm „Erasmus für alle“ für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorgelegt. Der Vorschlag sieht ein Finanzvolumen von 17,3 Mrd. € vor. Er führt das bisherige Programm für Lebenslanges Lernen, das Programm Jugend in Aktion sowie Programme mit Drittstaaten im Hochschulbereich strukturell zu einem einzigen großen Bildungsrahmenprogramm zusammen und sieht zusätzlich eine Aktion für Sport vor.
Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung begrüßt, dass der Vorschlag für das Programm „Erasmus für alle“ ein deutlich erhöhtes Budget für den Zeitraum 2014 bis 2020 vorsieht. Er weist auf die Bedeutung der in der EU-Wachstumsstrategie Europa 2020 mit zwei eigenen EU-Kernzielen Bildung hin und betont, dass der Zukunftsbereich Bildung bei den Verhandlungen über den neuen EU-Finanzrahmen im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Parlament als wichtiger Zukunftsbereich für die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet werden muss. Von Kürzungen muss deshalb abgesehen werden.
Er unterstützt die enge Verknüpfung des Programms mit den bildungspolitischen Zielsetzungen der Europäischen Union. Er betont die Bedeutung aller Maßnahmen, die zu einem Abbau der Jugendarbeitslosigkeit in Europa beitragen, insbesondere durch eine Stärkung einer hochwertigen und praxisnahen beruflichen Bildung. Von daher unterstützt der Ausschuss nachdrücklich die zügige und europaweite Umsetzung des in der Erklärung des Europäischen Rates vom 30. Januar 2012 „Wege zu wachstumsfreundlicher Konsolidierung und beschäftigungsfreundlichem Wachstum“ genannten Maßnahmekataloges zur Stärkung der praxisnahen Ausbildung in der EU.
Er begrüßt die Zielsetzung, die Förderung der Mobilität zu Lernzwecken systematisch auszubauen und ihn zur klaren politischen und inhaltlichen Priorität im neuen EU-Bildungsprogramm nach 2013 zu machen. Dabei ist der Förderschwerpunkt in den Bildungsbereichen mit dem höchsten Nachholbedarf zu setzen und die Mobilität in der beruflichen Bildung besonders zu fördern. Wie die EU-Staats- und Regierungschefs hebt er in diesem Zusammenhang auch den Stellenwert und den Markennamen des EU-Berufsbildungsprogramms LEONARDO DA VINCI hervor.
Er unterstützt die Bemühungen, den Zugang zum Programm zu erleichtern und betont in diesem Zusammenhang die besondere Bedeutung eines erleichterten Zugangs für kleine und mittlere Unternehmen sowie kleinere Bildungseinrichtungen. Er begrüßt die angestrebte Vereinfachung der Verwaltungsverfahren zum Beispiel durch die verstärkte Nutzung von Pauschalen.
Trotz dieser positiven Aspekte erfüllt der Vorschlag der Europäischen Kommission nicht die Erwartungen des Hauptausschusses. Er vermisst in weiten Teilen des Vorschlags konkrete Aussagen zur Ausgestaltung und Umsetzung des Programms. Er kann nicht erkennen, wie die umfangreichen Ergebnisse der öffentlichen Konsultation in den Vorschlag eingeflossen sind.

Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit verankern

Der Hauptausschuss betont die Notwendigkeit, das Konzept des Lebenslangen Lernens nachhaltiger im neuen Programm zu verankern. Hierzu zählt insbesondere die Förderung von Maßnahmen, die die Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit zwischen Bildungsbereichen und die Gestaltung und Erleichterung der Übergänge zwischen den Bildungsbereichen fördern.

Demografischen Wandel berücksichtigen

Weiterhin ist die Bedeutung des demografischen Wandels stärker zu berücksichtigen. Der vorliegende Vorschlag zielt ganz überwiegend auf die Förderung der beruflichen und akademischen Erstausbildung ab. Erforderlich ist die Ausweisung einer eigenen Budgetlinie für die berufliche Weiterbildung und Erwachsenenbildung.

Spezifika und Bedürfnisse der Bildungsbereiche abbilden

Der Hauptausschuss hält es für erforderlich, an den Bildungsbereichen als Gliederungsstruktur des Programms festzuhalten. Die Mehrzahl der Zielsetzungen der Strategie 2020 ist bildungsbereichsspezifisch. Von besonderer Bedeutung sind der Bologna-Prozess, der Kopenhagen-Prozess und die Europäische Agenda für die Erwachsenenbildung. In den Mitgliedstaaten sind die Bildungssysteme – wenn auch in unterschiedlicher Form – nach den Bildungsbereichen strukturiert. Die Integration des Programms Jugend in Aktion sollte durch Schaffung eines eigenständigen Kapitels erfolgen, in dem jugendpolitische Maßnahmen gebündelt werden und sichtbar sind.

Angemessene Budgetaufteilung zwischen den Bildungsbereichen sicherstellen

Der Hauptausschuss stellt fest, dass der Entwurf der Kommission eine Verschiebung der Finanzmittel zu Lasten der beruflichen Bildung und zugunsten der Hochschulbildung vorsieht. Eine Konzentration der Fördermittel in der Hochschulbildung wird nicht die arbeitsmarktpolitischen Probleme in der Europäischen Union lösen. Mindestens 25 % des Programmbudgets sind daher für die berufliche Bildung vorzusehen. Mindestens 85 % statt bisher 56 % des verfügbaren Budgets sollten den Bildungsbereichen als Budgets zugewiesen werden.

Mobilität in der beruflichen Bildung fördern

Der Hauptausschuss begrüßt den europäischen Benchmark, 6 % aller Auszubildenden einen Lernaufenthalt im Ausland zu ermöglichen. Der Vorschlag „Erasmus für alle“ leistet jedoch keinen signifikanten Beitrag, die Mobilität in der beruflichen Bildung weiter zu erhöhen.

Internationale Dimension für alle Bildungsbereiche öffnen und Multiplikatoren einbeziehen

Der Aufbau von Berufsbildungsstrukturen und Berufsbildungskooperationen trägt nachhaltig zur globalen Entwicklung bei. Der Hauptausschuss plädiert mit Nachdruck für eine Öffnung des Programms für die internationale Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb der EU im Bereich der beruflichen Bildung.
Weiterhin erachtet der Hauptausschuss Maßnahmen für erforderlich, die die Vernetzung von Multiplikatoren und Entscheidungsträgern auf europäischer Ebene unterstützen, um die relevanten politischen Prozesse zu begleiten.

Bewährte Strukturen fortentwickeln

Die Beteiligung der Sozialpartner im Programmausschuss ist im Unterschied zum Programm für Lebenslanges Lernen nicht vorgesehen und muss im Beschluss verankert werden.
Die Ausgestaltung der nationalen Umsetzung des Programms sollte grundsätzlich in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegen, um die unterschiedlichen nationalen Bildungssysteme und ihre Strukturen angemessen zu berücksichtigen. In Deutschland hat sich die Möglichkeit der Benennung mehrerer nationaler Behörden und Nationaler Agenturen grundsätzlich bewährt.
Die Bezeichnung „Erasmus für alle“ hat zu großen Missverständnissen in der Öffentlichkeit geführt und ist als Programmbezeichnung nicht geeignet. Sie ist durch eine unmissverständliche neue Bezeichnung zu ersetzen, wie sie zum Beispiel der in der mittelfristigen Finanzvorausschau gewählte Name „Education for Europe“ darstellt. Der Hauptausschuss plädiert nachhaltig für die Beibehaltung der etablierten Markennamen (wie COMENIUS, ERASMUS, LEONARDO DA VINCI, GRUNDTVIG, ERASMUS Mundus) für die Aktionen in den jeweiligen Bildungsbereichen.